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Neues Auswertungsmodell für Rage

Geschrieben am 8.September 2009

Bei der diesjährigen Berlinale habe ich mir Sally Potters neuesten Film Rage angesehen, der als Naked Cinema bezeichnet wird und bei den Filmfestspielen sehr auseinander gehende Meinungen hervorrief.

Ein spezieller Film, der aus der Indie-Ecke kommt, verdient auch eine spezielle Auswertung, und so feiert das Episodenmovie seine Premiere nach der Festspiel-“Kinoauswertung” nicht nur auf DVD sondern auch auf dem iPhone und dem iPod Touch und ist damit Pionier!
Die Produzenten schlossen sich mit dem Unternehmen Babelgum zusammen und bieten nun ab dem 21. September im iTunes Store eine kostenlose Applikation an, mit der täglich eine Episode des Films auf das mobile Endgerät von Apple gezogen werden und anschließen darauf angesehen werden kann.

Ab dem 22. September, also einen Tag nach dem Start des iPhone Releases, kommt der Film übrigens dann auch als DVD auf den Markt.

In einem Interview mit der amerikanischen Plattform MarketingVox sagt die Regisseurin des Films: “We always wanted to incorporate new-media platforms into our release strategy and to find a novel approach to bringing ‘Rage’ to both new and traditional film audiences. We are delighted to be working with Babelgum, who we see as a true partner in crafting an innovative distribution model.”

Für alle Interessierten habe ich hier noch eine Kritik zum Film gefunden, die ich damals für einen anderen Blog geschrieben habe, die jedoch auch heute noch gültig ist und damit mein Grund dafür sein wird, dass ich die iPhone Premiere in jedem Fall nicht verpassen werde.

Rage ist ein Film, der auf die Grundzüge des Schauspiels und des Dialogs / Monologs reduziert ist und keinerlei Spezialeffekte nutzt.
Stattdessen sieht man Schauspielgrößen wie Jude Law, Steve Buscemi, Judi Denchoder Eddie Izzard vor der Kamera. Im Hintergrund nichts außer einer einfärbigen Wand.

Rage ist sehr speziell, denn anders als bei gewöhnlichen Filmen, sieht jeder Mensch die Story anders. Die Rahmenhandlung, bei einer Modenschau passieren mehrere mysteriöse Morde, wird nur angedeutet und passiert tatsächlich im Audio-Off. Die Erklärung für die Interviews, in denen die einzelnen Charaktere ihre Sicht der Dinge schildern wird über den nicht sichtbaren Kameramann Michelangelo geliefert. Er ist ein Teenager, der mit seiner Handykamera eine Art Dokumentation über die Modebranche dreht und diese in Minisodes auf seinem nicht genannten Weblog veröffentlicht. Dass er dabei tiefer als gewollt in den Dschungel aus Oberflächlichkeit, Verlogenheit, Hass und Neid eintaucht, wird erst nach und nach klar.

Das Werk sorgte bei der Berlinale für gemischte Reaktionen. Auch bei der Publikumspräsentation am letzten Tag der Festspiele verließen äußerst viele Leute während des Films den Saal.
Ich kann das nicht so recht verstehen, denn in Wirklichkeit ist Rage in eine Reihe zu stellen mit Akira Kurosawas Meisterwerk über die Lüge und die Wahrheit Rashomon und Lars von Triers minimalistisches Drama Dogville, in dem sämtliche Requisiten nur angedeutet werden.

Der Film erzeugt bei jedem Menschen, der sich auf die Geschichte und die Grundstruktur einlässt, ein anderes Bild. Möglich wird dies vor allem durch die sehr intensiv agierenden Schauspieler, die zumindest bei mir ein klares Bild von den Ereignissen abseits des Sichtbaren erzeugten und so einen Effekt erzielten, den ich so noch nicht bei modernen Filmen bemerkt habe:
Ich bekam etwas Individuelles zu sehen.

Natürlich wirkt Rage auf mich auch aufgrund seiner Thematik, einer eindeutigen Kritik an der Oberflächlichkeit der Modebranche, ausgedrückt durch die Augen und den Mund eines Jugendlichen, der durch sein Medium Web 2.0 plötzlich ungeahnte Macht über eine bisher übermächtige Industrie bekommt. Andererseits ist der Film auch eine Kritik am Web 2.0 und den Digital Natives von heute, die oberflächlicher nicht sein könnten. Alles muss in Snack Size angeboten werden, sonst sieht keiner mehr zu. Skandale müssen sein, denn nur so kann man Aufmerksamkeit generieren.

In gewisser Weise ist Rage so auch eine Kritik an all den Leuten, die den Kinosaal vor Ende des Films verlassen. Sie sind es nicht mehr gewöhnt, mit einer fremden Form von Kino konfrontiert zu werden, in der Aufmerksamkeit Voraussetzung dafür ist, um zu verstehen, was passiert. Schade, denn ich denke, dass genau das Format von Rage eine mögliche Antwort darauf ist, wie der Kinofilm von morgen auszusehen hat, denn jeder sieht diesen Film anders, so wie es seine Gedanken und vor allem seine Phantasie zulassen.

Ein Kommentar zu “Neues Auswertungsmodell für Rage”

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