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Sex sells

Geschrieben am 28.Juli 2009

Heute steht ein heikles aber zugleich spannendes Thema auf meiner Agenda:
Filme, die Porno zum Thema haben, jedoch selbst nicht pornografisch sind.
Warum ich mir dieses Thema ausgesucht habe?
Ich wurde vor einiger Zeit zur Premiere von 9to5: Days in Porn in Berlin eingeladen. Die derzeit wohl umstrittenste Doku über das Porn Valley in Kalifornien bzw. die Stars und Sternchen aus der Branche haben bei mir die Frage aufkommen lassen, wie man sich am besten verhält, wenn man einen solch explosiven Stoff heute zu promoten hat.

Bevor wir beginnen, nun erstmal eine Liste der mir bekannten Filme, die in das zu Beginn genannte Profil passen:

  • Boogie Nights (Drama/Komödie bzw. Biopic über einen legendären Pornodarsteller ebenfalls aus den 70ern)
  • Porno Film (Komödie über junge Menschen, die Geld brauchen und einen Pornofilm drehen)
  • Nacktschnecken (österreichisches Remake einer Komödie über Studenten, die Geld brauchen und einen Pornofilm drehen wollen)
  • Zack and Miri Make a Porno (die amerikanische Version dieser Komödie über die Entstehung eines Pornofilms)
  • Inside Deep Throat (Dokumentation über einen legendären Pornofilm aus den 70ern)
  • 9to5: Days in Porn (Dokumentation über die Pornobranche und ihre Stars)

Die ersten drei Filme sind jeweils vor dem großen Hype des Social Web ins Kino gekommen und waren bis auf Boogie Nights nur mäßige Erfolge, was ich fast völlig, und damit sind wir bereits beim größten Vorteil solcher Filme, auf die Tatsache zurückführe, dass das Thema Sex das perfekte Mem (= kleinste Einheit einer Idee bzw. eines Reizes, um etwas weiter zu erzählen) ist, um eine virtale Welle auszulösen.

1997, 2000 bzw. 2004 (die Jahre, in denen Boogie Nights, die slowenische Komödie Porno Film und das österreichische Remake Nacktschnecken in die Kinos kamen) waren Blogs, Twitter und andere Social Networks quasi noch nicht vorhanden und wurden in der breiten Öffentlichkeit noch nicht wahrgenommen oder gar genutzt.
Über die Filme wurde aber dennoch geredet. Warum? Weil das Thema den Gesprächsstoff liefert.

Heute sieht die Sache anders aus und Filme wie Zack and Miri Make a Porno können gebührend im Netz promotet werden.

Über Poster, die man selbst gestalten kann oder Ausweise mit dem persönlichen Pornonamen (kennt man bereits von Seiten wie www.gangstaname.com/porn_name), gehen die Ideen und Möglichkeiten jedoch nicht hinaus, was auch nicht verwundert, immerhin gibt der Film nicht sehr viel mehr her. Das macht Spaß und man kann es auch seinen Freunden in Facebook und in studiVZ weiterleiten. Ob es jedoch ausreicht, um das Publikum zum Kauf einer Kinokarte zu bewegen ist fraglich.

Eine viel bessere Ausgangslage haben in diesem Fall Dokumentationen wie Inside Deep Throat und 9to5: Days in Porn.

Da auch hier wieder gilt, dass die Doku über den legendären 7oer Jahre Film vor dem großen Hype um Filmpromotion 2.0 in die Kinos kam, soll der Fokus auf 9to5 liegen.
Der Film ist eine erstklassige Doku, wie man sie selten sieht. Regisseur Jens Hoffmann arbeitete über fünf Jahre an seinem intensiven Blick in die als Porn Valley bekannt gewordene Region Kaliforniens, wo monatlich mehrere hundert Pornofilme gedreht werden.

Ohne selbst ins Geschehen einzugreifen, zieht der Film die Menschen vor der Kamera aus, obwohl sie bereits nackt sind. Hoffnungsvolle Rookies wollen mit einer Karriere im Valley zum Star werden, vergessen dabei aber, dass hier nicht der Mensch sondern einzig und allein der Körper zählt. Fast schon paradox mutet es an, wenn man ein verheiratetes Pornopärchen dabei beobachtet, wie sie dem Zuschauer glaubhaft vermitteln wollen, dass es nichts ausmacht, wenn der jeweils andere während des Interviews eine Hardcore-Szene im anderen Raum dreht oder der Agent unschuldig behauptet, er würde seine Mädchen nicht ausnutzen, sie aber gerne bei sich in der Wohnung aufnimmt, bevor sie die ersten Engagements bekommen.

So sind es die fünf Sekunden nach jedem Interview, in denen Hoffmann die Kamera nicht ausschaltet, in denen 9to5: Days in Porn seine Qualität ausspielt und damit zum Liebling des Feuilletons wurde.
Und hier liegt der große Coup des Films begraben. Wäre es vermutlich relativ leicht und kostengünstig gelungen, den Film mittels Social Media im Massenmarkt zu positionieren, hat der Verleih bzw. seine Agentur die Qualität des Films erkannt, auf klassische PR gesetzt und den umstrittenen Weg in den Arthouse-Bereich gewagt, in dem Feuilletonjournalisten normalerweise ihre Freude haben, Filme zu zerreißen.

Doch wie bereits während der Produktion, wo die Filmförderung ebenfalls aufgrund des Themas verweigert wurde, und man trotzdem weitermachte und das Projekt kurzerhand aus eigener Tasche finanzierte, funktionierte auch dieser Schritt.
Heute ist Jens Hoffmann auf einer Welle des Erfolgs, und seine Dokumentation wird mit zurecht mit positiven Kritiken überschwemmt.
Nun hat man den berühmten Tipping Point erreicht und man darf gespannt sein, wie man nun im Zuge der DVD-Auswertung, wo ja bekanntlich das meiste Geld liegt, mit der Markenkommunikation weitermachen wird. Immerhin kommt nun das vermutlich passendste Medium für einen Film wie diesen, denn auch die Pornobranche macht ihr Geld nicht mit Kino sondern mit DVDs und Home Entertainment-Produkten.

Nun bin ich gespannt, ob ein Schwenk in der Kommunikation stattfinden wird, und ob sich zum Beispiel endlich jemand traut, auch Videopornoportale wie YouPorn, RedTube und wie sie alle heißen, für die virale Promotion zu nutzen, indem man zum Beispiel diverse Deleted Scenes, wie sie bereits jetzt auf der gut gemachten Website zum Film zu sehen sind, auf diesen Kanälen hochlädt.

Bisher waren diese Portale tabu, was ich nicht verstehen kann, da der meiste Traffic im Internet auf Portalen mit erotischen Inhaltne stattfindet und man dort die ideale Zielgruppe für eigentlich alle Filme findet. Bei Komödien ist dies ja bis zu einem gewissen Grad noch verständlich, da die Marke nicht mit einer solch “verbotenen” Thema in Verbindung gebracht werden sollte.
Befasst sich ein Film jedoch einzig und allein mit diesem Thema, ist es ein logischer Schritt, auch diese Kanäle zu bedienen und deren Leistungsstärke zu nutzen.

Klar, die positiven Pressemeldungen wird es auch zum DVD-Start noch einmal geben, aber hier muss nun auch die Zielgruppe erweitert werden und der Film einer breiteren Masse in einer anderen Tonalität und mit einer anderen Herangehensweise kommuniziert werden – sei es nun eine Facebook-Applikation, eine Integration von Twitter (eine der im Film portraitierten Personen ist das Porno Starlet Sasha Gray, die sowohl in Social Networks wie MySpace, als auch auf Twitter aktives Mitglied ist) oder anderen ungewöhnlichen und vielleicht auch verbotenen Guerilla-Aktionen, was thematisch wiederum zum Film passt, da auch die Auslebung von bzw. die Vorliebe für Porno im breiten Markt als verboten angesehen werden.

Meine abschließende Forderung lautet daher kurz und knapp: Mehr Mut (zum Porno)!

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