Interview mit Martin Oetting von connectedmarketing.com zum Thema Mundpropaganda für Filme.
In deinem Blogposting „Über den Drang zu empfehlen“ nennst du einige Gründe, warum Leute Dinge weiterempfehlen. Sind diese Aspekte auch auf Film anwendbar? Wenn ja, wie?
Ich muss vorwegschicken, dass es sich dabei nicht um meine Sammlung von Thesen handelt, sondern, dass ich diese Äußerungen von Pete Blackshaw zitiert und dazu genutzt habe, um meine Meinung abzugeben.
Was die Anwendung auf Film betrifft, glaube ich schon, dass Blackshaws Thesen auch hier gelten.
Ich kenne Anekdoten darüber, dass Filmmarketing schon darüber funktioniert hat, beim Publikum den Wunsch zu erzeugen, VIP sein zu. Es geht darum, Leute zu Insidern zu machen, ihnen mehr Wissen darüber zu verleihen, sie den Film vorab sehen zu lassen.
Harry Knowles von Ain’t it cool, ist dafür ein gutes Beispiel.
Ich hab von ihm gelesen. Knowles sammelt Input zu Filmen bevor sie ins Kino kommen.
Ich glaube, dass es für Mundpropaganda sorgt, wenn man ausgewählten Leuten wie Harry Knowles Filme zeigt, bevor sie auf den Markt kommen. Man versorgt Leute mit Insiderinformationen, damit sie was zu erzählen haben.
Leute geben Mundpropaganda ab, um ihr Selbstimage zu verbessern. Insider zu sein, bedeutet eine bessere Positionierung in der Gesellschaft.
Spielt dabei immer nur der selbsdarstellerische Aspekt eine Rolle oder nicht vielleicht auch der Wunsch, Geld zu verdienen?
Wenn es sich um den finanziellen Aspekt dreht, hat die Sache nichts mehr mit Mundpropaganda zu tun. Mundpropaganda ist nach meiner Definition nicht finanziell motiviert.
Mundpropaganda beginnt erst, wenn sich Leute über den Film unterhalten. Alles was davor passiert ist keine Mundpropaganda.
Das hängt davon ab, wovon man spricht.
Ich spreche von der Initiierung von Mundpropaganda.
Mundpropaganda wird vom Konsumenten initiiert und nicht vom Unternehmen. Das geht meist nach hinten los. Man kann den Konsumenten etwas bieten, was sie dazu anregt, Mundpropaganda zu initiieren.
Nein, das sind Taktiken, um Mundpropaganda anzuregen oder zu unterstützen. Guerilla-Stunts sind nicht Mundpropaganda, sie können diese aber entstehen lassen.
Ist Mundpropaganda dann einmal ausgelöst, spielen die zitierten Aspekte eine Rolle.
Wenn man das Gefühl hat, dass man einen sensationell guten Film gesehen hat, dann gibt es viele Menschen, die wollen, dass ihre Freunde diesen auch erleben. Sie wollen ihren Freunden etwas Gutes tun.
Zu dem Punkt, der sich auf die Abfärbung der Glaubwürdigkeit anderer bezieht, kenne ich keine Forschung. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Faktor bei Mundpropaganda wirklich eine Rolle spielt. Weil ein Opinion Leader den Film gut findet, kann man das als jemand, der Mundpropaganda für den Film betreibt, vielleicht als Zusatzargument anführen. Ein ausschlaggebender Grund dafür ist es aber aus meiner Sicht nicht.
Der Faktor Projektion ist auch so eine Sache. Blackshaw sagt, man redet über eine Sache um die Notwendigkeit zu stärken, sich intensiver damit zu beschäftigen. Das ist eine Beobachtung, die ich auch an mir selbst erkenne.
Aber auch hier bin ich mir nicht ganz sicher, ob es sich um einen Faktor handelt, der wirklich Mundpropaganda treibt.
Der letzte Punkt, den er „Wahre Liebe“ nennt, kommt dann zur Geltung, wenn ein Produkt die Erwartungen des Publikums übertrifft. Wenn das erreicht ist, kommt positive Mundpropaganda auf.
„Wahre Liebe“ geht außerdem davon aus, dass das Publikum den Film gesehen hat. Das ist hier ja gar nicht möglich ist. Trotzdem entsteht Mundpropaganda für einen Film oft bereits über ein Jahr bevor er in die Kinos kommt. Ist das nicht paradox?
Nein, es gibt Forschung, die zeigt, dass ein Produkt, und da zähle ich Film jetzt einmal dazu, bereits bei seiner Vorstellung, also ohne dass es konsumiert wurde, Originalität verspricht und dadurch Mundpropaganda bekommt. Bestes Beispiel ist das Apple iPhone, das noch keiner in der Hand hatte, und das trotzdem jeden begeistert.
Das Produkt hat die Leute bereits in der Präsentation beeindruckt und das ist wahrscheinlich bei Filmen auch so. Leute sind von der Idee angetan und haben dadurch etwas zu reden, um sich die Zeit bis zum Start zu verkürzen.
Samuel L. Jackson hat eine ganz andere Wirkung im US-amerikanischen Markt, als hier in Deutschland, auch wenn es hier bestimmt viele Fans gibt.
Es gab sehr viel Austausch zwischen der verrückten Community im Netz und den Filmemachern.
Ich bin gar nicht sicher, ob ich für mich selber eine Abgrenzung gefunden habe.
Bei Viral-Marketing gibt es ein entscheidendes Problem. Die Leute sprechen davon, meinen aber virale Werbung. Der Unterschied liegt darin, dass Werbung nur ein Ausschnitt vom Marketingprozess ist. Die meisten Leute, die von Viral-Marketing sprechen, denken dabei nur an lustige Filmchen. Bei Viral-Marketing muss dafür gesorgt werden, dass alle Elemente des Marketing-Mix eine ansteckende Wirkung haben.
Wirkliches Viral-Marketing wurde zum Beispiel für Skype betrieben. Skype ist als gesamtes Produkt ansteckend.
Genau, es hat die externen Netzwerkeffekte. Das Unternehmenskonzept ist schon auf Ausbreitung ausgelegt.
Wer nur virale Werbung betreibt, bringt der Marke oft gar keinen Vorteil, denn häufig werden die Filmchen zwar millionenfach bei Youtube angesehen und weitergeleitet, aber keiner kriegt eigentlich mit, um welche Marke es sich dreht.
Buzz-Marketing meint in den meisten Fällen, das Spinnen verrückter PR-Geschichten.
Ja. Aber auch hier taucht die Frage auf, wofür man das tut. Tut man es, um Leute zu unterhalten, oder weil man wirklich eine Botschaft hat?
Erstens: die Mundpropaganda ist bereits im Produkt eingebaut. Ein Beispiel dafür sind die bereits genannten externen Netzwerkeffekte. Es kann aber auch sein, dass das Produkt bei seiner Benutzung einfach auffällt, wie das bei der Polaroid-Kamera der Fall ist.
Zweitens: Mundpropaganda über Werbung anregen. Das kann funktionieren, muss aber nicht unbedingt positive Effekte für den Absatz und die Marke nach sich ziehen.
Drittens: Mundpropaganda über Beziehungspflege anregen.
Es gilt, bestimmte Leute auszuwählen und die Beziehung zu ihnen zu pflegen und sie zu Insidern zu machen, damit sie etwas zu reden haben.
Es muss gelingen, ein bemerkenswertes Produkt zu haben und dann während der Produktion eine Beziehung zu den wichtigen Personen aufzubauen. Das ist dann aus meiner Sicht gut gemachtes Mundpropaganda-Marketing.
Doch, sie kann aber natürlich auch negativ sein.
Funktionierendes Mundpropaganda-Marketing, das hilft, den Absatz eines Films positiv zu beeinflussen, ist nicht für jeden Film möglich, denn da spielt die Qualität eine Rolle.
Es gibt Erhebungen, die zeigen, dass es, seit es das Web gibt, und damit die Möglichkeit, dass Leute ihre Meinungen und Erfahrungen mit anderen teilen können, für Filmverleiher schwieriger wurde, den Markt zu täuschen, indem sie ihm etwas vorgaukeln können, wenn es um die Qualität eines Films geht.
Leute können sich durch das Internet viel leichter informieren. Früher war es nicht so leicht, seine unabhängige Meinung landesweit zu verbreiten. Deswegen haben es die Filmverleiher auch schwerer, mit schlechten Filmen.
Man kann das Aufkommen negativer Mundpropaganda nicht verhindern. Ein Filmverleiher der schlechte Mundpropaganda hat, kann nicht sehr viel machen, denn dann ist offensichtlich der Film schlecht. Wenn das Produkt die negative Mundpropaganda verdient, kann man gar nichts machen. Da kann man sich nur schnell den nächsten Film wünschen.
Man kann im Vorfeld Opinion Leader suchen und eine Community aufbauen, die dabei helfen kann, einen schlechten Film durch Loyalität und positive Mundpropaganda zu unterstützen.
Auf der DVD zum Film gibt es ein Bonusfilmchen, in dem der Regisseur das Publikum dazu auffordert, Mundpropaganda zu erzeugen und sich für den Film stark zu machen, damit er auch an der Kinokasse zum Erfolg wird. Ich weiß allerdings nicht, ob dieses Vorgehen geklappt hat.
Vielleicht gelingt das und man kann zu dem Punkt gelangen, wo Leute ins Kino gehen, weil sie den neuen Universal-Streifen sehen wollen. Ich fürchte allerdings, dass die Identifikation über die Geschichte, über die handelnden Personen, über die Stars die Rolle des Verleihers sehr in den Schatten stellt. Wenn es gelingt, so eine Beziehung aufzubauen, sind die Leute vielleicht eher bereit solche Fehler zu verzeihen, allerdings habe ich Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass das funktioniert.
Mundpropaganda-Marketing für Filme ist schwieriger als für andere Produkt. Es gibt ein klares Konkurrenzverhältnis zwischen dem Produkt Film und einem anderen Produkt Film. Der Film muss letztlich funktionieren. Man kann im Vorfeld eines Films noch so viel Begeisterung erzeugen, Beziehungen aufbauen, über Blogs von hinter den Kulissen berichten oder Erwartungen anfachen. Letzten Endes wollen Leute zwei Stunden etwas bekommen für ihr Geld und hierzu ist es schwierig, mit Mundpropaganda etwas auszulösen, was nicht da ist.
„Snakes on a Plane“ hätte vermutlich nicht diesen Erfolg in den USA gehabt, wenn es nicht diesen Hype in der amerikanischen Blogosphäre gegeben hätte. Dieser Hype hat aus einer blödsinnigen Idee einen Kult gemacht. Wie weit das jedoch ein Vorbild für andere Filme sein kann und wie weit das ein Effekt ist, den man steuern kann, fällt mir schwer zu sagen.
Welchen Inhalt sie hat, und ob sie gut oder schlecht ist, entscheidet nicht der Marketing-Ansatz, sondern letztlich das Produkt selbst.