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5. Blockbuster vs. Independent:

Geschrieben am 9.Oktober 2006

Bevor der hier aufgestellte Systematisierungsansatz auf zwei konkrete Beispiele angewandt wird, müssen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den beiden Filmgattungen Blockbuster (= High-Concept) und Independent (= Arthouse) gezeigt werden.
Der größte Unterschied liegt in den Personal- und Budget-Zahlen. Während hinter der Vermarktung von High-Concept-Filmen weltweit mehrere hundert Menschen stehen, sind für die Kampagnen-Entwicklung für Independent-Produktionen zumeist nur eine handvoll Menschen zuständig
Einen Großteil der 500 bis 600 Filme, die im deutschsprachigen Raum jährlich in den Kinos starten, bilden Hollywood-Filme, die zumeist Blockbuster-Potenzial haben.
Es herrscht also eine große Konkurrenz am Markt, die sich vor allem zwischen den Filmen für die breite Masse abspielt.

Obwohl Independents eine gänzlich andere Zielgruppe ansprechen, müssen auch sie auf diesem harten Markt antreten, und das zumeist mit wesentlich geringeren Mitteln. Während das Vermarktungs-Budget eines Hollywood-Films heutzutage bei bis zu 30 Millionen Dollar liegt, müssen „Indis“ mit einem Bruchteil des Etats ihre Produktionskosten wieder einspielen. Nur wenigen gelingt dieses Kunststück. Vor allem die Minimierung der Marketing-Aufwände, die das meiste Geld verschlingen, und eine Konzentration auf die wesentlich günstigere Vermarktungsvariante Publicity mit Schwerpunkt auf Printmedien, stellen den Weg zum Erfolg von Produktionen dieser Gattung dar.
Doch auch hier ist in den letzten Jahren mit der Verweigerung des Feuilletons ein massives Problem aufgetaucht. So gilt der Kulturteil einer Tageszeitung „bei weiten Bevölkerungsteilen als eher langweilig.“[1]
Will man das Publikum trotzdem erreichen, bleibt eine Umorientierung in Richtung Fachpresse und vor allem Online-Medien nicht erspart.[2]

Auch Weblogs und Online-Foren zum Thema Film sind wichtige Elemente des „Many to Many“-Mediums[3] Internet, um einen Film bekannt zu machen und die Mundpropaganda ins Rollen zu bringen.[4]
Viele User veröffentlichen in diesen Online-Medien ihre Meinungen zu Filmen und erreichen damit eine große Zahl an anderen Konsumenten, die im Idealfall zum ersten Mal mit dem Film in Berührung kommen und positiv beeinflusst werden. Dadurch wird eine Kettenreaktion ausgelöst, die bei wohlwollenden Meinungen zum weltweiten Erfolg führen kann.

Lokale Verstärkung der Mundpropaganda kann durch den Einsatz von so genannten Sneak Previews erreicht werden.[5] Dabei handelt es sich um Vorpremieren, die der klassischen Produktprobe entsprechen. Der Besucher weiß beim Kauf der Kinokarte nicht, welchen Film er zu sehen bekommt. Ziel ist es, die positive Kommunikation innerhalb der Zielgruppe der Konsumenten zu verstärken und auch Menschen auf den Film aufmerksam zu machen, die von anderen Vermarktungsaktionen nicht getroffen werden.
Sneak Previews kommen aber nicht nur bei der Vermarktung von „Indis“ zum Einsatz. Auch Major-Filmverleiher nutzen sie, um die Mundpropaganda in Gang zu setzen. Allerdings ist man bei dieser besonders frühen Vorführung neuer Filme seit dem Aufkommen der Filmpiraterie sehr vorsichtig geworden und versucht eher durch den Einsatz von Teasern[6] die Mundpropaganda zu lancieren.
Auch in diesem Punkt haben High-Concept-Filme wesentliche Vorteile gegenüber kleineren, unabhängigen Produktionen, für die ein Teaser kaum Wirkung zeigen würde, lebt dieser doch speziell von den großen Namen der Stars.
So beschränkt sich der Teaser zu Ron Howards vermeintlichen Sommer-Blockbuster 2006 „The Da Vinci Code – Sakrileg“ auf die Nennung der Namen der beteiligten Stars Tom Hanks, Jean Reno und Audrey Tautou, dem Titel und der Tagline des Films. Ausschnitte aus dem Film gibt es in dieser ersten Teaser-Kampagne jedoch noch nicht zu sehen.[7]

Im Gegensatz zu Großproduktionen werden Independent-Filme vor allem in kleineren, vorwiegend städtischen Kinos (= Arthouses) gezeigt, in denen sich das Kinofenster meist über mehrere Monate und in wenigen Fällen sogar über bis zu einem Jahr erstreckt. Von dieser Zeitspanne können Blockbuster nur träumen. Wieder aufgrund des dichten Marktes und der hohen Konkurrenz, mit der in jeder Woche um die Kinosäle in den Multiplex-Kinos gekämpft wird, verkürzt sich die Auswertungszeit im Kino ständig.
Hat sich die DVD, wie im Kapitel 3.1. beschrieben, zum ernsthaften Konkurrenten für das Kino entwickelt, so gilt dies vorwiegend für den typischen Hollywood-Film.
Filme, wie jene aus der Dogma 95-Reihe, die als Prototypen der Independent-Szene gelten, erzielen nach wie vor den größten Teil der Einnahmen im Kino.[8]

Eine besondere Stellung bei der Vermarktung von Independent-Filmen kommt Festivals zu. Was die Oscar-Verleihung, die Berlinale oder die Filmfestspiele von Cannes für die großen Filme sind, das ist das renommierte Sundance Film Festival, das von Hollywood-Legende Robert Redford ins Leben gerufen wurde, für die unabhängigen, künstlerisch anspruchsvollen und ausgefallenen Filme.
Produktionen, die in Sundance liefen und ausgezeichnet wurden, gelten unter Insidern als Geheimtipps und entwickeln sich nicht selten zu weltweiten Erfolgen in der Branche. Als bekannteste Beispiele sind „Memento“ (Christopher Nolan, USA 2000, Auszeichnung für das Beste Drehbuch in Sundance) und „Donnie Darko“ (Richard Kelly, USA 2001, Welt-Uraufführung beim Sundance Film Festival und Nominierung für den Grand Jury Prize) zu nennen, die durch ihren Erfolg beziehungsweise ihre Präsenz in Sundance den Sprung in die weltweiten Independent-Kinos schafften.

Als letzter Grund, warum die Vermarktung von Non-Blockbuster-Filmen wesentlich schwieriger ist, ist der Vergleich dieser ausgefallen Produktionen mit Kunst- und Kulturformen wie Theater, Oper oder Bildender Kunst zu nennen.
Fremdes wird vom Publikum nur langsam oder gar nicht akzeptiert. Versucht man, einen Film, der nicht nach den Regeln des High-Concept produziert wurde, an ein Blockbuster-Publikum zu vermarkten, so ist dies nur schwer oder gar nicht möglich. Es besteht daher von Anfang an eine eingeschränkte Vermarktungsmöglichkeit für Filme dieser Gattung.
Da die Rezeption eines Independent-Films mit der Kulturnutzung vergleichbar ist, können die von Hill und O’Sullivan postulierten psychischen Barrieren bei der Rezeption von Kultur auf den Kauf eines Kinotickets für eine „Indi“-Produktion übertragen werden.
Mandel erklärt diese wie folgt:

„Class Distinction – der generelle Glaube, dass Kultur für die Schicht der Reichen und Gebildeten da ist und nicht für andere Gruppen.
Inferiority – das Gefühl intellektuell unterlegen zu sein und Kunst nicht zu verstehen.
Displacement – das Gefühl, am falschen Ort zu sein.
Conformity – die Angst, von Mitglieder der eigenen Lebensstilgruppe belächelt zu werden, wenn man sich einer solch unpassenden Beschäftigung wie Kunstrezeption hingibt; gilt besonders für Männer, in deren Kreisen Kulturbesuche oft als ‚unmännlich’ gelten.
Effort – Angst vor der Anstrengung der Kulturrezeption, die eher als Arbeit denn als Freizeitvergnügen angesehen wird.
Risk – Angst, Geld für etwas auszugeben, was man vorher nicht genau einschätzen kann, ohne Garantie auf Spaß und Vergnügen.“[9]

5.1. Vermarktungssysteme der neuen Star Wars-Trilogie:
Auch wenn Matthias Grimm in seinem Text über die Vermarktung der ersten Star Wars Episode „The Phantom Menace – Die dunkle Bedrohung“ diesen Film als Blockbuster und damit als reines Medienereignis bezeichnet, so steckt doch hinter der Kommunikation über die neue Trilogie von George Lucas’ Sternen-Saga mehr als nur reine Medienarbeit, nämlich eine ausgeklügelte Marketing-, Publicity- und Mundpropaganda-Strategie.
Der eigentliche Beginn der Kommunikation über die Star Wars-Saga ist in den 1970er Jahren anzusiedeln. Damals kündigte Lucas nach dem Erfolg von „Star Wars – Krieg der Sterne“ an, nicht nur Fortsetzungen, sondern auch eine dreiteilige Vorgeschichte (= Prequels) zu seinem Science-Fiction-Blockbuster drehen zu wollen.
Bereits wenige Jahre später legte der Meisterregisseur seine Idee aufgrund anderer geschäftlicher Unternehmungen vorerst auf Eis. Der enorme Erfolg der ersten Trilogie hatte zu einer wahren Star Wars-Hysterie geführt, die sich besonders im Merchandising zeigte, wofür sich Lucas die Rechte gesichert hatte. Spielzeugfiguren und andere Produkte, die mit den Charakteren aus den Filmen in Verbindung standen, entwickelten sich zu wahren Kassenschlagern. Lucas’ Filmimperium blühte auf.

Mit der Kino-Abstinenz verschwand das Thema allerdings auch aus den Medien und damit aus den Köpfen des Kino-Publikums.
Etwa zehn Jahre „ist das Thema Star Wars im filmpublizistischen Kontext nahezu nicht mehr vorhanden. 1990 macht George Lucas in einem Variety-Interview Andeutungen über die versprochenen Prequels, ein erster Versuch, abzutasten, ob der Stoff beim Publikum über die nötige Akzeptanz und Popularität verfügt.“[10]
Dieses Interview markierte zugleich den Beginn eines Marketing- und Publicity-strategischen Feldzugs, dessen Hauptinteresse es war, die Medien und das Publikum „sukzessive auf die neuen Projekte vorzubereiten.“[11]
Nebenbei wurde die noch immer hohe Präsenz der Merchandising-Produkte ausgenutzt, um das Publikum darauf aufmerksam zu machen, dass die Saga noch nicht zu Ende war.
Obwohl die geplanten Filme die Vorgeschichte zur bereits existierenden Trilogie bilden sollten, wurde 1991 eine Romantrilogie mit dem Titel „Heir of the Empire“ veröffentlicht, in dem die Geschichte nach den Filmen aus den 70er und 80er Jahren erzählt wird. Ziel dieser Maßnahme war es wiederum, Aufmerksamkeit im Franckschen Sinne zu erhalten und vor allem eine neue Publikumsschicht für die legendäre Saga zu begeistern.
Mit dem Erfolg der Bücher startete auch die Produktion neuer Merchandising-Produkte und – der sich später zu Verkaufsschlagern entwickelnden – Computerspielen.

Mit dem cross-medialen Projekt „Shadows of the Empire“ lancierte Lucas 1996 eine Vermarktungskampagne, die neben der Veröffentlichung von Büchern, Comics, Spielzeugfiguren und Soundtracks auch Publicity-mäßig einer Kampagne für andere High-Concept-Filme in nichts nachstand. Einziger Unterschied war, dass Lucas mit all diesen Maßnahmen eine Filmreihe kommunizierte, die gar nicht existierte. Das wichtigste Element dieser Vermarktungskampagne, nämlich das kommunizierte Produkt, also der Film selbst, fehlte. Star Wars fand zwar in den Köpfen der Menschen und den Medien Platz, in den Kinos wartete man jedoch scheinbar vergeblich auf die neue Trilogie.
Quasi als Höhepunkt von „Shadows of the Empire“ brachte Lucas 1997 zum 20. Jubiläum die Original-Trilogie in einer digital restaurierten Special Edition wieder in die Kinos, ein genialer Schachzug, der bisher in dieser Form noch nie da gewesen war. Erstmal in der Geschichte der Filmvermarktung wurde eine erneute Auswertung erfolgreicher Filme für die Vermarktung eines neuen Projekts herangezogen.
Der „Mythos“ Star Wars kehrte damit in die Medien zurück.[12]

„Shadows of the Empire“ und das System der Gesamt-Marke Star Wars stellten für das Vermarktungssystem der neuen Trilogie die beiden wichtigsten relevanten Umweltsysteme dar, die sich zu System-Elementen entwickelten.

Mit der Phase des Hypes, also der konsequenten Medienpräsenz des Themas Stars Wars, setzte in den Monaten vor dem Release von „The Phantom Menace – Die dunkle Bedrohung“ auch die heiße Phase des Marketings ein. Erste Bilder und Plakatmotive wurden von Twentieth Century Fox veröffentlich – jenem Verleih, der bereits für die Vermarktungskampagnen der ersten Trilogie verantwortlich gezeichnet hatte.
Auch die Premiere des ersten Trailers wurde zum Ereignis gemacht. So kampierten begeisterte Fans vor den Kinos, um Tickets für jene Vorstellungen zu bekommen, in denen die Vorschau des lang ersehnten Film-Events gezeigt wurde.
In der Publicity wurde jede Aussendung, jedes Interview und jedes noch so kleine veröffentlichte Detail zum Ereignis gemacht, bevor der Film schließlich im Mai 1999 in den USA und drei Monate später auch in Europa Premiere hatte.
Während Fans von dem Blockbuster begeistert waren und die weltweite Mundpropaganda besonders über das Internet von ihnen vorangetrieben wurde, rezensierte die Presse den Beginn der neuen Star Wars-Trilogie weniger positiv. Ein Schicksal, das auch die beiden vorzeitig letzten Folgen der Sternensaga traf.

Die Vermarktung des Mythos Star Wars ist nur schwer in Systeme zu gliedern. Einzigartig war vor allem jene Vorgehensweise von George Lucas, bei der die Vermarktung einer Filmreihe mithilfe einer anderen Filmreihe betrieben wurde. Ein gesamtes System mitsamt all seiner Umweltteile (digital überarbeitete Special Edition) wurde erstmal zum Teil eines neuen Systems (Kommunikationsmix für die neue Trilogie) gemacht.
Grundsätzlich herrscht bei der Vermarktung von Star Wars ein Sonderfall, wenn man versucht, diese zu systematisieren.
Einerseits handelt es sich bei der gesamten Filmreihe um ein einziges großes System, bei dem die Vermarktung der jeweiligen Filme nur einen Systemteil darstellen. Diese Form der Vermarktung wird auch als „Franchise“[13] bezeichnet. Andere Beispiele für Franchise-Filmvermarktung sind Star Trek, Batman, Herr der Ringe, Harry Potter aber auch Independent-Filmreihen wie jene der skandinavischen Regisseur-Vereinigung Dogma 95.
Durch die große Bekanntheit der Marke Star Wars bestand und besteht nach wie vor bei jeder Vermarktung neuer Episoden der Sternensaga die Möglichkeit, das gleiche Design, die gleichen Kommunikationsdisziplinen und die gleichen Instrumente zu verwenden.
Andererseits versuchte man natürlich bei jedem Star Wars-Film ein eigenes System mit neuen Ideen aufzubauen.
In dieser Seminararbeit wird die Vermarktung der neuen Trilogie, die sich aus den drei Prequels zur Ur-Trilogie zusammensetzt, als System definiert.
Der Kommunikationsmix der einzelnen Episoden stellte daher jeweils ein Subsystem dar, welcher sich wiederum aus den Elementen der bereits bekannten Disziplinen zusammensetzte.
Als relevante Umwelt galten demnach die ersten Star Wars-Filme und alle mit ihnen in Zusammenhang stehenden Zielgruppen und Maßnahmen, wodurch sich die Marke Star Wars zum Supersystem entwickelte. Aber auch die Vermarktungs-Strategien der Konkurrenz sind für die Kommunikation von und über Star Wars von Relevanz.
Zu den wichtigsten Subsystemteilen, also den Kommunikationsmaßnahmen für die einzelnen Filme, zählten „Shadows of the Empire“ und der Kinostart der digital überarbeiteten Special Edition der Ur-Trilogie.
Dadurch wurde das Publikum auf die massiv betriebene Publicity vorbereitet, die sich in Form von Presseaussendungen, Presseheften und Junkets auch an Online-Medien richtete. Mit dieser Aktion wurde ein weiteres Subsystem-Element – nämlich jenes der Mundpropaganda – in Gang gesetzt. Angetrieben von ständig neu auftauchenden Gerüchten über mögliche Besetzungen und Handlungsabläufe – aber auch durch bereits laufende Aktionen – wurde bei den Konsumenten ein wahrer Durst nach Star Wars-Artikeln entwickelt, der dem letzten und wichtigsten Subsystem-Element – dem Marketing – zu neuem Aufwind verhalf.
Mit einem wahren Feuerwerk an Merchandising, Cross Promotion-Aktionen und TV-Spot-, Trailer- und Plakat-Kampagnen wurde der Vermarktung von Episode I der letzte Schliff verpasst.
Zeigte der zweite Teil der neuen Trilogie „Attack of the Clones – Angriff der Klonkrieger“ 2002 im Gegensatz zu seinem Vorgänger besonders bei der Kreativität des Vermarktungs-Subsystems Schwächen, so übertrafen sich Lucas und die Kommunikations-Experten bei Fox mit der Vermarktung des vorerst letzten Teils „Revenge of the Sith – Die Rache der Sith“ selbst.
Grund für den großen Erfolg des Films war nicht zuletzt die große Enthüllung des Geheimnisses um die Verwandlung von Anakin Skywalker in den größten Filmbösewichten aller Zeiten, Darth Vader.

Aus systemtheoretischer Sicht war die Vermarktung dieses Films besonders geprägt durch die Einschränkung der einzelnen Subsystem-Elemente, da bis zum Kinostart Geheimhaltungspflicht für alle Beteiligten galt. Publicity aber auch Marketing hatten eine äußerst engen Spielraum, wodurch sich die Kommunikation über den Film in Form von Mundpropaganda zu verselbstständigen drohte. Mittels gezielt verbreiteter Informationen behielt man jedoch bis zum Schluss die Kontrolle über das System, wodurch ein würdiger Abschluss der neuen Trilogie entstand.
In den weiteren Auswertungsstufen DVD und TV (sowohl Pay- als auch Free-TV) gilt es nun abzuwarten, wie sich der Verleiher entscheidet, das System der neuen Trilogie tatsächlich auch als einzelnes System zu vermarkten.
Sehr wahrscheinlich ist allerdings, dass Star Wars in der weiteren Auswertung nur mehr als System der neuen Trilogie oder gar als System sämtlicher Star Wars-Filme in Erscheinung treten wird.

5.2. Die Geschichte eines Welt-Erfolgs – Vermarktungssysteme von „The Blair Witch Project“:
Dass es selbst für Low-Budget-Filme aus dem Independent-Bereich möglich ist, an der Kinokasse vermeintliche Blockbuster wie den lang ersehnten ersten Teil der neuen Star Wars-Trilogie „The Phantom Menace – Die dunkle Bedrohung“ zu schlagen, bewies 1999 der Überraschungserfolg „The Blair Witch Project“, welcher der Sternensaga von George Lucas zumindest im Vorfeld gewaltig die Show stahl.
Mit einem Produktions-Budget von unter einer halben Million Dollar realisierten die beiden unbekannten Filmemacher Daniel Myrick und Edward Sanchez einen Film, der sich innerhalb kürzester Zeit, nicht zuletzt aufgrund einer raffinierten Vermarktungskampagne zum Kult-Horrorstreifen entwickelte.

Bereits zwei Jahre vor dem Kinostart des Films, als die Dreharbeiten noch nicht einmal begonnen hatten, sendete der US-amerikanische Independent Film Channel in der Show Split Screen einen kurzen Beitrag über das Verschwinden dreier Filmstudenten in den Wäldern Marylands. Aufsehen erregte diese Kurz-Dokumentation vor allem durch die Verbindung des mysteriösen Verschwindens mit dem erfundenen Mythos um die Hexe von Blair.
In dem Beitrag tauchten auch Myrick und Sanchez auf, die behaupteten, sie seien im Besitz des Filmmaterials der vermissten Studenten, das sie in der nächsten Sendung zeigen wollten. Hinter den Kulissen war dieses erste Auftauchen in der Medienöffentlichkeit jedoch nur der geglückte Versuch, Sponsoren für die Realisierung des Projekts aufzutreiben, hatten die beiden Regisseure doch zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Aufnahme gemacht.
Erst ein Jahr später, als die Dreharbeiten fast abgeschlossen waren, wurden erste Ausschnitte der vermeintlich authentischen Videobänder in Split Screen gezeigt.
Die schlechte Qualität der Aufnahmen bestätigte die Aussagen der beiden Regisseure, wonach die Bänder im Waldboden vergraben gefunden wurden.
Nach der Ausstrahlung der Aufnahmen meldete der eingeweihte Moderator der Sendung, der gemeinsam mit Sanchez, Myrick und einflussreichen Independent-Filmexperten das Vermarktungsteam Haxan bildete, bewusst erste Zweifel an der Echtheit der Bilder an und forderte das Publikum auf, die Frage nach dem Mythos der Hexe von Blair auf seiner Website zu diskutieren.

Damit wurde eine unerwartete große Welle der Mundpropaganda ausgelöst, die sich bis zum Start des Films im Juli 1999 ungebremst ausbreitete.
Suchaktionen nach dem Vermissten wurden eingeleitet, gefälschte Dokumente und Tagebücher der Vermissten tauchten wie zufällig im Internet auf, und so entwickelte sich ein Riesen-Hype um die Hexe von Blair. Erstaunlich ist dabei die Verwischung zwischen Realität und Fiktion, die von den Vermarktungs-Verantwortlichen mit äußerster Präzision vorgenommen wurde.
Nach und nach entwickelten sich eigene Fanseiten des Films, auf denen die aktuellen Ereignisse verfolgt und auf ihre Authentizität untersucht wurden. Bis zum Filmstart wurden neben der offiziellen Homepage des Films „mehr als zwanzig inoffizielle ‚Blair-Witch’ Fanseiten gezählt“[14]

Schließlich hatte der Film ein halbes Jahr vor dem offiziellen Kinostart beim Sundance Film Festival seine Uraufführung, wobei bis zu diesem Zeitpunkt noch immer kein Verleih gefunden war. Von anderen Unternehmen als enttäuschend eingestuft, sicherte sich der Independent-Filmverleiher Artisan Entertainment die weltweiten Vermarktungsrechte – ein Glücksgriff, wie sich später herausstellen sollte. Die Premiere beim Sundance Festival läutete zugleich die heiße Phase der Vermarktung ein.
„Artisan will den totalen Grusel: Blair Witch wird als medienübergreifendes Horror-Spektakel vermarktet. Schon vor dem Filmstart spukt die Hexe auch im TV und auf CD, später sogar in einem Comic. Das Ungewöhnliche: die Inhalte in den einzelnen Medien ergänzen sich gegenseitig zu Bausteinen einer komplexen Geschichte. Das Logo, jenes ‚Stock-Männchen’, von dem im Film eine finstere Bedrohung ausgeht, fungiert als markantes Lockmittel für alle Hexenfans.“[15]

Weil sich die Hauptzielgruppe des Films mit jener Bevölkerungsschicht deckte, die zu dieser Zeit im Internet am stärksten vertreten war (16 bis 24-Jährige), spielte das Netz von Anfang an die Hauptrolle bei der Cross Media-Strategie von Artisan und den Filmemachern.
Artisan mied die klassischen Marketing-Instrumente und setzte dagegen voll auf Publicity mit Schwerpunkt Online, um die Mundpropaganda stets in Bewegung zu halten.
Durch diese Strategie schlug man mehrere Fliegen mit einem Streich. Sprach man mit den gesetzten Online-Maßnahmen zuerst das Publikum an, so geriet der Mythos in zweiter Instanz auch in die Berichterstattung der traditionellen Medien TV, Print und Radio, die das Internet schon damals als Informationsquelle nutzten.

Das Besondere an der Systematisierung der Vermarktung von „The Blair Witch Project“ war die große Bedeutung der Subsysteme Mundpropaganda und Publicity, die personalisiert vom Publikum, dem Haxan-Team (Sanchez, Myrick, der Split-Screen-Moderator und die beteiligten Filmexperten) und den zuständigen Artisan-Mitarbeitern dargestellt wurden.
Auch die Zusammensetzung und die Beziehung zwischen Umwelt und System(-Elementen) waren bei der Vermarktung von „The Blair Witch Project“ einzigartig.
So stellten die beiden Filmemacher Myrick und Sanchez gemeinsam mit dem Moderator der TV-Show Split Screen und den eingeweihten Filmexperten zu Beginn das System der Kommunikationsabteilung dar. Allein diese Kombination, in der ein Medienvertreter, der in allen anderen Vermarktungskampagnen als Teil der relevanten Umwelt einzustufen ist, von Beginn an einen Teil des Systems darstellt, war und ist bis heute ungewöhnlich.
Die Konzentration des Systems auf die Elemente der Publicity und der dadurch ausgelösten Mundpropaganda waren somit verständlich.

Eine ungewöhnlich hohe Wichtigkeit kam den speziellen Elementen des Subsystems Publicity zu. Die beiden ersten Fernsehberichte, die 1997 und 1998 im Independent Film Channel ausgestrahlt wurden und den Mythos in Gang setzten, zählen dabei noch zu den unauffälligsten Publicity-Instrumenten. Interessanter sind die veröffentlichten Dokumente und Tagebücher der Vermissten, die in ihrer Veröffentlichung der Funktion von Presseaussendungen entsprachen.
Mit dem Aufruf des Split Screen-Moderators an das Publikum, sich an der Diskussion über die Echtheit der gezeigten Bilder zu beteiligen, öffnete das System seine Grenzen und ließ das relevante Umwelt-System Publikum zu einem System-Element werden.
Fortan gewann die Mundpropaganda ständig an Wichtigkeit, bis mit der nächsten Erweiterung des Systems durch den Filmverleiher Artisan Entertainment ein weiterer Umwelt-Teil zum Element des Systems wurde.
Diese Maßnahme sorgte für eine Umorientierung der Kommunikationsaktivitäten in Richtung Publicity mit Schwerpunkt Online, womit in weiterer Folge auch die Mundpropaganda weiter angeheizt wurde.

Interessant war dabei, dass sich Subsysteme wie Corporate Identity oder Marketing aus den Aktivitäten der Publicity und der Mundpropaganda ergaben. So tauchte Gerüchten zufolge eine Musikkassette auf, die in dem verlassenen Auto der vermissten Filmstudenten gefunden wurde. Die aufgezeichnete Musik wurde von Artisan Entertainment kurzerhand als Soundtrack zum Film vermarktet.
Die einzelnen System-Elemente sorgten also dafür, dass sich das System ständig vergrößerte und dabei vor allem existent und stabil blieb. Das System der Vermarktung von „The Blair Witch Project“ kann mit Kunczik und Avenarius als offen bezeichnet werden.

Proportional zur Vergrößerung des Systems der Kommunikationsaktivitäten über den Film, verkleinerten sich seine relevante Umwelt, und damit auch das Supersystem.
Die Hinhaltestrategie, mit der man den Film von Anfang an vermarktete, sorgte für eine sich ständig ausbreitende Mundpropaganda, die schließlich auch auf Kinobetreiber überschwappte, die sich für Kopien des Films interessierten – schließlich startete der Film zu Beginn nur in einigen ausgewählten Programmkinos in den USA.
Sorgte der Film bei seiner weltweiten Kinoauswertung für Furore und volle Kinosäle, so verblasste der Hype um die Hexe von Blair allmählich mit der DVD-Auswertung. Zahlreiche Versuche, das Vermarktungsschema von „The Blair Witch Project“ zu kopieren oder den Hype in Form von Fortsetzungen noch einmal aufleben zu lassen, verliefen ohne Erfolg. Trotzdem ging Daniel Myricks und Edward Sanchezs Low-Budget-Streifen in die Filmgeschichte ein.
[1] Mandel, PR, S. 33.
[2] Vgl. Praus, Internet, S. 17.
[3] Praus, Internet, S. 12.
[4] Vgl. Iversen, Fritz: Man sieht nur, wovon man gehört hat. Mundpropaganda und die Kinosauswertung von Independents und anderen Non-Blockbuster-Filmen. In: Demnächst in Ihrem Kino. Grundlagen der Filmwerbung und Filmvermarktung. Hg. v. Vinzenz Hediger und Patrick Vonderau. Marburg 2005. S. 176-192.
[5] Vgl. Hediger und Vonderau, Glossar, S. 400.
[6] Teaser sind kürzere Trailer (= Filmvorschau) die im Durchschnitt zwischen 60 und 90 Sekunden dauern und rund ein halbes Jahr vor dem Kinostart gezeigt werden.
[7] N.N.: Teaser „The Da Vinci Code – Sakrileg“. Im Internet: http://www.columbiatristar.medianetworx.de/(S(3uvgou2uhni145f3ga53kvvb))/inf.html?distribution_type=&movieID=0d6fbfd4-8e70-4a73-b910-ee4d5e598a7f (eingesehen am 15. September 2005).
[8] Vgl. Vonderau, Patrick: Die Logik organisierter Sensationen. Dogma 95 und die Kunst, in Europa einen Film zu vermarkten. In: Demnächst in Ihrem Kino. Grundlagen der Filmwerbung und Filmvermarktung. Hg. v. Vinzenz Hediger und Patrick Vonderau. Marburg 2005. S. 212-226.
[9] Mandel, PR, S. 28.
Vgl. dazu auch Hill, Elizabeth [u.a.]: Creative Arts Marketing. Oxford 1995. S. 34.
[10] Grimm, Matthias: Der Blockbuster als Medienereignis: Star Wars: Episode I – The Phantom Menace. In: Demnächst in Ihrem Kino. Grundlagen der Filmwerbung und Filmvermarktung. Hg. v. Vinzenz Hediger und Patrick Vonderau. Marburg 2005. S. 350-365.
[11] Grimm, Blockbuster, S. 353.
[12] Vgl. Grimm, Blockbuster, S. 355.
[13] Faist, Marketing, S. 142.
[14] N.N.: The Blair Witch Project. Im Internet: http://www.vm-people.de/de/vmknowledge/casestudies/casestudies_detail.php?id=6 (eingesehen am 20. November 2005).
[15] N.N.: The Blair Witch Project. Im Internet: http://www.vm-people.de/de/vmknowledge/casestudies/casestudies_detail.php?id=6 (eingesehen am 20. November 2005).

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