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Trends und Best Practice Communication Cases aus der Entertainment-Industrie

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Expertentalk

Geschrieben am 10.April 2007

Experten-Talk mit Nils Müller, Gründer der Trendforschungsagentur TrendONE aus Hamburg, und Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, Director Online Conversations und Chief Blogging Officer bei Edelman Hamburg, am 3. April 2007 in Hamburg.

Hillinger:
Wie charakterisieren Sie Blogger?

Lünenbürger-Reidenbach: Die Betreiber eines Weblogs zeichnen sich durch ihre hohe Kommunikationsbereitschaft aus. Blogger sind auch im richtigen Leben kommunikativ und die meisten von ihnen haben auch ein reales Leben. Unter den 50 bekanntesten Bloggern in Deutschland, zu denen auch ich zähle, sind nicht nur Programmierer und andere Computer-Nerds.

Müller: Wie sieht dein Beruf in vier Jahren aus?

Lünenbürger-Reidenbach: Von der Struktur her, bleibt meine Arbeit bei Edelman als Director Online Conversations sicherlich gleich. Bei der weltweit agierenden PR-Agentur Edelman sind wir gerade dabei ein globales Netzwerk dieser Abteilung für Online Conversation aufzubauen, wobei ich für den deutschen Raum zuständig bin. Ingesamt besteht das Team derzeit aus etwa 30 Personen weltweit und wird ständig ausgebaut.
In vier Jahren werden Online Conversations so wichtig geworden sein, dass sie zum Mainstream geworden sind. Viel Geld, das jetzt bei Mediaagenturen liegt, wird in die Dialogkommunikation abwandern, wodurch besonders kleine Spezialagenturen gegen ihre übermächtigen Konkurrenten einen klaren Vorteil haben.

Hillinger: Als Fachmann für PR 2.0, also PR im Web 2.0, beraten Sie Firmen im Umgang mit Weblogs und führen auch selbst Blog-Kampagnen durch. Ist PR 2.0 lediglich die Kommunikation über Weblogs, oder eignen sich auch andere Social Media für Public Relations-Kampagnen im Web 2.0?

Lünenbürger-Reidenbach: Natürlich sind Weblogs ein sehr mächtiges Instrument für moderne Online-Kampagnen. Es kommt aber auf die Zielgruppe an, welches Medium man wählt. Auch Video ist für moderne PR gut nutzbar weil es sich schnell verbreitet und ein hohes Viral-Potential hat. Audio hingegen wird in meinen Augen zu sehr gehypt. Podcasts sind kein Kommunikationstrend, da sie schwieriger zu produzieren sind als Videoclips und außerdem nicht das Weiterleitungspotential von Videos haben. Auch Social Networks eignen sich auf zwei Arten für moderne Marken-PR. Einerseits können Brands ihre eigenen Social Networks aufbauen und den Usern zum Beispiel damit eine Plattform zur Diskussion über die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens bieten. Andererseits besteht die Möglichkeit, mit bestehenden Social Networks zu arbeiten und darin Promotionkampagnen zu veranstalten.

Müller: Welche Social Networks eignen sich derzeit am besten im deutschsprachigen Raum?

Lünenbürger-Reidenbach: International bieten sich natürlich die bekannten Namen an. Youtube und MySpace sind tolle Plattformen, um mit dem Kunden interaktiv und direkt zu kommunizieren. In Deutschland ist jedoch von diesen Communities abzuraten, da sie in Wirklichkeit gar nicht so groß sind und die Zahl der aktiven User beträchtlich kleiner ist, als angegeben. Im Videobereich ist vor allem das kleine Netzwerk Sevenload zu nennen. Die Zahl der Mitglieder ist zwar geringer als die von MyVideo, als Community- und Resonanzverstärker ist Sevenload jedoch um einiges besser geeignet.

Hillinger: Die Zukunft der Kommunikation ist virtuell. TrendONE hat gerade eine Media 3.0 Studie veröffentlicht. Worum geht es darin?

Müller: Wir beschreiben darin die Media Evolution. In Media 1.0 hat der Konsument in Bezug auf die Mediennutzung alle ihm vermittelten Informationen aus einer Lean Back-Haltung konsumiert, das heißt, er befand sich in einer „Download-Situation“ und ließ die Inhalte der Medien passiv auf sich wirken. In Media 2.0 oder Web 2.0 wurde der Consumer selbst zum Publisher. Er trat in eine Move Forward-Haltung ein und ergriff die Chance, seine Texte, Videos, MP3s und Fotos upzuloaden und sie einer globalen Öffentlichkeit vorzustellen. Mittlerweile sind wir bei Media 3.0 angelangt, wo ein neues Medium entsteht. Der User wird selbst zum Medium und taucht in virtuelle Welten wie “Second Life” ein. Das entscheidende Merkmal, welches diese Welten von den bisherigen Medienangeboten differenziert, ist der Jump In-Effekt.

Lünenbürger-Reidenbach: Es ist also ein Unterschied, ob man User generated Content erstellen lässt und den Kunden in seine Kommunikationsaktivität mit einbezieht, oder ob man sich als Marke seine eigene virtuelle Welt baut bzw. in bestehenden virtuellen Welten Promotionkampagnen veranstaltet.

Hillinger: Was empfehlen Sie Marken? Sollen Sie sich wie Sony mit seinem „Home“ für die Playstation 3 eine eigene virtuelle Welt aufbauen, oder lieber doch bestehende Welten wie “Second Life” nutzen?

Lünenbürger-Reidenbach: Wichtig ist, dass man mit seinen Kommunikationsaktivitäten dort ansetzt, wo Leute sind. Dies spricht auf den ersten Blick natürlich stark für “Second Life”. Sieht man allerdings genauer hin, so sind die meisten Avatare in “Second Life” jene von Webentwicklern und Journalisten. Sony geht mit „Home“ meiner Meinung nach den richtigen Weg. Ob sich die Entscheidung als richtig herausstellt, wird man im Herbst sehen, wenn „Home“ startet.
Was auf jeden Fall wichtig wird, ist das Zusammenwachsen von realer und virtueller Welt. Wir bei Edelman haben zum Beispiel derzeit einen Kunden, für den wir eine Kampagne „doppeln“. Das heißt, wir setzen genau die gleichen Aktionen, die wir in der realen Welt durchführen, auch in “Second Life” um.

Hillinger: Kommen wir nun zu dem großen Themenbereich der Filmpromotion bzw. Film-PR im Web 2.0. Dazu interessieren mich ihre Auffassungen von PR und des Terms 2.0?

Lünenbürger-Reidenbach: Ich sehe alle nicht Broadcast-basierten Kampagnen und Maßnahmen als Aufgaben der Public Relations. Das heißt überall dort, wo es das Ziel der Kampagne ist, dass Leute über das Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens sprechen, sehe ich die Aufgabe der PR angesiedelt.
Der Term 2.0 bedeutet, der Zielgruppe zuzuhören und ihr die Möglichkeit zu geben, zurückzureden.

Hillinger: Wie können die 2.0-Tools für Filmpromotion und PR genutzt werden?

Lünenbürger-Reidenbach: Der Kinofilm hat einen großen Vorteil, aber zugleich auch ein riesiges Problem. Der Vorteil ist seine Kernzielgruppe, die 14 bis 29-Jährigen, die auch sehr Web 2.0 affin sind und damit ausgezeichnet für Kampagnen in Social Networks und über Social Media zugänglich sind. Das große Problem ist die kurze Wirkungsdauer. Ob ein Film erfolgreich ist oder nicht, entscheidet sich am ersten Wochenende. Der größte Teil der Einnahmen an der Kinokasse wird am ersten Wochenende gemacht und für dieses Phänomen gibt es keine Lösungen. Betrachtet man nur die Kinoauswertung, so ist der Long Tail also nicht sinnvoll.

Hillinger: Was kann dann Abhilfe bieten?

Lünenbürger-Reidenbach: Es muss im Vorhinein versucht werden, das Publikum auf den Film aufmerksam zu machen. Ich könnte mir also im Zeitalter von Web 2.0 und Media 3.0 sehr gut vorstellen, dass zum Beispiel Sneak Previews online stattfinden. Virtuelle Welten wie “Second Life” eigenen sich sehr gut für Kino. Die IPTV-Technologie ist so weit fortgeschritten, dass ein Kinobesuch in der zweiten Welt sicherlich kein Problem darstellt.
Um die Kommunikation zwischen den Konsumenten anzuregen ist es sicherlich von Vorteil nur geschlossenen Nutzergruppen zu diesen Previews einzuladen, die dann mittels Mundpropaganda den Film weiterempfehlen. Mundpropaganda ist ein gutes Tool, um die Begehrlichkeit für einen Film zu entwickeln und auszubauen.
Es ist auf jeden Fall wichtig, das Empfehlungsmarketing zu vereinfachen.

Hillinger: Wie könnte das funktionieren?

Lünenbürger-Reidenbach: Ich halte es zum Beispiel für einen großen Fehler, im Kino ein Handy-Verbot auszusprechen. Kein anderes Medium eignet sich besser für Word-of-Mouth als das Mobile-Device. Besonders die junge Zielgruppe ist sehr Handy-affin und im Zeitalter von Twitter ist das Handy das perfekte Tool zum Initialisieren von Word-of-Mouth. Jeder hat sein Handy immer dabei. Warum nutzt man es also nicht zum Beispiel über eine Bluetooth-Aktion? Vor, während und nach dem Film könnte man Zusatzinformationen zum Film wie kurze Videoclips, Trailer oder anderen Content kostenlos per Bluetooth anbieten. Auch eine Empfehlungs-SMS für den Fall, dass der Film gefallen hat und man ihn an Freunde per Handy weiterempfehlen möchte wäre denkbar.
Genau das macht auch den Erfolg von Youtube aus. Die Verlinkung eines jeden Videos erleichtert die Tell-a-Friend Funktion und damit den Viral-Effekt ungemein und für Advanced User wie Blogger oder V-Logger ist die Embedding-Funktion natürlich ein Hit.

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