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Interview zum Thema Filmpromotion 2.0

Geschrieben am 14.Juli 2008

Wie in einem meiner letzten Postings angekündigt, stelle ich nun das Interview, das ich Alexander Scholz, einem Diplomanden im Fach Medienwirtschaft an der Fachhochschule in Wiesbaden, der seine Abschlussarbeit zum Thema Spielfilmmarketing im Social Web schreibt, gegeben habe.
Danke an Alexander für die sehr spannenden Fragen und das interessante Gespräch!

Was ist unter Augmented Reality zu verstehen und wie lässt sich diese in der Filmvermarktung einsetzten?

Wörtlich übersetzt heißt das erweiterte Realität. Zum Beispiel mit einer Datenbrille werden so digitale Zusatzinformationen zur Umgebung gegeben. Die Grundlage für Augmented Reality können aber auch 2D Codes bieten, die auf Papier ausgedruckt werden, z.B. als Werbung in einer Tageszeitung. Man lädt dann eine Software auf den PC oder das Handy und aktiviert die Webcam oder die Kamera auf dem Handy. Von der Software wird der Code dann automatisch in beispielswiese ein Video oder eine live 3D Animationen mit Ton umgewandelt. Diese Codes werden zum Beispiel gerade bei Automobilkonzernen für die Konzeption und das Design neuer Karosserien genutzt, aber mehr Information also Daten gehen da noch nicht rein. Im Gegensatz zu QR-Codes können also nicht nur alphanummerische Infos kodiert werden. Augmented Reality kann man dann so weit spinnen, dass irgendwann im Kino nur mehr eine Abfolge von 2D Codes auf die Leinwand projiziert werden und die Leute sehen dann den Film als Animation oder man geht mit einer speziellen Brille ins Kino, die Zusatzinformationen zum Film liefert, aber das gibt es noch nicht.
Zurzeit gibt es da speziell in UK eine Menge Anbieter, in Deutschland macht die Firma Metaio sehr viel in diesem Bereich. Ich habe mich in meinem anderen Blog unter www.film30.de stark damit auseinandergesetzt. In der Filmvermarktung lässt es sich beispielswiese als Bestandteil von ARGs einsetzten. Auch gibt es Promotion-Beispiele in Deutschland für Filme wie z.B. für den „Harry Potter“-Film. In Augmented Reality sehe ich definitiv eine ganz große Chance für die Filmpromotion der sagen wir nächsten 24 Monate. Filme als solche sind ja schon eine Form der erweiterten Realität, von daher sind Codes auf alle Fälle ein gutes Tool für die Promotion, da sie diesen Gedanken unterstützen. Vor allem sehe ich die Potentiale darin, dass man das Mobile Device ins Spiel bringen kann. Außerdem bestehen bei Augmented Reality nur sehr geringe Einstiegsbarrieren in der Nutzung, denn jeder halbwegs internet-affine Mensch hat eine Webcam. Außerdem nutzen viele der jungen Nutzer, die für Filmmarketing 2.0 zugänglich sind, neue Handymodelle die mit Applikationen von Drittanbietern erweitert werden können. Daher ist es für Anbieter wie Inition oder Metaio bzw. in weiterer Folge für Filmverleiher sehr leicht, ihre Dienste bzw. ihre Werbung auf diesem Weg zu “schalten”, wobei schalten nicht der richtige Begriff ist. Denn Werbung schalten ist in meinem Augen eine Denke, die man spätestens seit 2004 mit Aufkommen des Web 2.0 streichen sollte.
AR ist in meinen Augen die logische Weiterentwicklung von Mobile Tagging, wobei der einzige Nachteil von AR ist, dass man schwer eine Verbindung ins Netz herstellen kann. Bei AR-Codes handelt es sich um statischen Inhalt, also einen Film, ein Bild oder eine Animation, während Mobile Codes wie QR, Beetagg, Shotcode oder Aztech auch meist URLs in sich bergen. Das geht zwar bei AR auch, jedoch wäre man in meinen Augen blöd wenn man so viel Speicherplatz für einen Code verschleißt, den man eigentlich mit Video und Audio Inhalten füllen könnte. Um es kurz zu sagen: vermutlich kann man beides codieren in AR aber ich kenne noch kein Beispiel dafür.
Ein gutes Einsatzgebiet für AR ist auch der OOH-Bereich, also out of home, der ganze Bereich Außenwerbung. Folgende Situation: Eine Bushaltestelle, mit einer Glasummantelung als Schutz vor Regen etc.. Jetzt könnte da ein digitales Display stehen (was in den USA grade richtig im Kommen ist), welches mit einer Webcam verbunden ist, die durch das Glas filmt und die Live-Bilder mit einer Animation oder einem Bild erweitert. Schaut der Passant nun auf das Display, sieht er auf einmal „Harry Potter“ neben der Haltestelle auf dem Besen vorbeifliegen und nach der Animation läuft der Trailer zum neuen Film. So etwas in der Art gab es meines Wissens nach auch schon Deutschland.

Worin genau liegt der Vorteil des Einsatzes von Wiki-Systemen wie z.B. bei „The Silver Surver“ oder „Hellboy 2“ in der Filmvermarktung? (Anmerkung von Norbert: Diese Frage habe ich in einem der vorigen Postings genauer beantwortet und dieses Posting besteht zu großen Teilen aus der Antwort auf diese Frage)

Das ist eine gute Frage, über die ich mir heute auch noch mal Gedanken gemacht habe und ich muss ehrlich gestehen, dass ich es besonders bei Wikis als eher schwierig erachte, einen echten Vorteil zu erahnen. Es geht im Grunde genommen darum, eine Marke zu öffnen, was durch Wikis in der Theorie sehr gut möglich wäre. Theoretisch deswegen weil ein Wiki ja nichts anderes ist als ein offenes Content Management System. Damit man Content managen kann, muss aber jedoch erst mal welcher vorhanden sein. Und da haben wir das Problem, denn im Web 2.0 ist es leider immer noch so, dass die 90:10 Regel greift. 90 Prozent der Leute sind immer noch klassische User, die passiv konsumieren und nur 10 Prozent sind Prosumer, die auch tatsächlich Dinge posten und aktiv Inhalte generieren. Wikis eignen sich daher mehr als Projektmanagement-Tool z.B. für Film 2.0, wenn es zum Beispiel um Entscheidungen zu Produktionsstätten etc. geht.
In der Filmvermarktung hätte ein Wiki zum Beispiel beim „Filmtrip“ funktionieren können, denn bei diesem Projekt war eine Community mit aktiven Usern vorhanden. Wir haben es sehr gut hinbekommen, eine Community aufzubauen und dieser Crowd dann die Marke zugänglich zu machen. Wenn es zum Beispiel ein öffentliches Wiki gegeben hätte (es gab zwar ein Wiki, aber nur für die Teammitglieder), hätte man dort alle Aktionen sammeln können.
Da fällt mir noch ein gutes Beispiel für die Vermarktung ein: Das „Despoiler“ Wiki von „Cloverfield“. Dieses wurde von Paramount übernommen, nachdem es ursprünglich von Fans ins Leben gerufen worden war. Dieses Wiki von „Cloverfield“ machte nichts anderes, als alle Hints von dem ARG zusammenzufassen. Daraufhin haben alle Fans sich im Wiki ausgetauscht und nach Hinweisen gesucht. Das hat Paramount dann perfekt ausgenutzt und das Wiki in die Online-Kampagne eingebaut, welche übrigens gar kein echtes ARG war.
Der Vorteil von Wiki-Systemen liegt definitiv im Sum-Up-Effekt für umfangreiche Kampagnen, also man kann zusammenfassen, was passiert ist und dann daraus gemeinsam mit den aktiven Usern wieder neue Ideen generieren. Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein ARG handeln, sondern es kann auch in eine normale Kampagne mit mobilen Inhalten eingebunden werden. Wenn man zum Beispiel wissen möchte, für welche Handymodelle Inhalte zur Verfügung gestellt werden sollen, quasi als Mini- oder Interimsmarktforschung während einer Kampagne. Das setzt natürlich voraus, dass man flexibel in der Kampagnenplanung ist und kurzfristig reagieren kann, was wiederum eine Frage des Geldes und vor allem der Einstellung eines Filmverleihers ist.
Das „Silver Surfer“-Wiki war ein Schuss ins Knie, ebenso das Wiki zu „Dewey Cox“. Die haben beide überhaupt nicht funktioniert. Es wurde aber auch einfach schlecht beworben und zu einem gewissen Grad auch zu lieblos inszeniert. Einfach eine einzige Frage zu stellen reicht nicht aus bei einem Wiki.

Weblogs werden schon seit geraumer Zeit in der Filmvermarktung eingesetzt. Doch lässt sich auch der neue Micro-Blogging-Dienst „Twitter“ für die Vermarktung von Spielfilmen instrumentalisieren?

Twitter hat aus meiner Sicher mehrere Vorteile: Wie YouTube, kann man auch Twitter überall einbauen. Und genau diese Embed-Funktion hat YouTube zum Flaggschiff des Web 2.0 gemacht. Twitter ermöglicht wie kein anderer Dienst den Live-Dialog zwischen Sender und Empfänger und zwar ortsunabhängig, da man auch über das Mobile-Device senden und empfangen kann. Die Schnelligkeit ist hierbei ungeschlagen. Twitter ist damit auch ein perfektes Tool für Instant-Gewinnspiele. Wir hatten eigentlich beim „Filmtrip“ folgendes vor: zur Premierentour durch Deutschland sollte es einen Livebericht in Twitter geben. So nach dem Motto: heute hier, morgen dort usw.. Kommt hin wenn ihr Matthias Dietrich und die „Filmtrip“-Truppe kennenlernen wollt. Dann sollte es vor jeder Station die Möglichkeit geben, 5 Tickets zu gewinnen und zwar mit einer simplen Frage zu jeder Stadt. Zum Beispiel: Bei der Premiere in Berlin wird ein Tag zuvor über Twitter gefragt: In welcher Stadt lebt Matthias Dietrich? Die schnellsten fünf Antworten gewinnen das Ticket. Zur Erklärung: bei Twitter gibt es einen Reply-Button bzw. die Direct-Message-Funktion.
Außerdem ist Twitter für Filmverleiher auch wegen der Hash Tags interessant. Diese sind zur Evaluierung super spannend. Diese Tags fassen die Gespräche zusammen bzw. veröffentlichen Nachrichten, die auf Twitter zu gewissen Themen veröffentlicht werden. Ein Beispiel: Fußball-EM: Wenn jemand über das Spiel Italien-Spanien twittert schreibt er anschließend #em08. Dann taucht sein Tweet mit anderen Nachrichten, die auch so getaggt sind, auf bestimmten Seiten auf, die den Hash Tag #em08 anzeigen. Wenn jetzt ein Filmverleiher Hash Tags wie zum Beispiel #hulk nutzt, sieht er nachher genau, wie viele Leute darüber getwittert haben.
In der Unterhaltungsindustrie wurde Twitter beispielsweise schon in der Vermarktung der TV-Serie „Gossip Girl“ eingesetzt. Hier hat der brasilianische TV-Sender etwas gemacht, wovon ich eigentlich abrate, und zwar Charakter-Blogging betrieben. Das gab es ja schon häufig, z.B. bei „Cloverfield“, Stichwort „Teddy“ und „Jamie“, also dass man dem Charakter aus dem Film eine MySpace-Site einrichtet. Ebenso gab es das für die Filme „The Invisible“ und „Jumper“. Hier wurde einfach vorgegeben, die Hauptpersonen aus dem Film seien echte Menschen und man könne sich mit ihnen unterhalten und Freunde werden. Interessanterweise war auch die erste MySpace-Seite für einen Film ein Charakter-Profil. Dies ist jedoch nicht empfehlenswert, weil es gegen das Prinzip der Authentizität verstößt und Authentizität die oberste Prämisse in der Web 2.0-Kommunikation ist. Wenn ich nun einen Charakter bloggen lasse, weiß jeder, dass da die Agentur dahinter steckt und irgendein Praktikant Bilder vom Film hoch lädt und so tut, als wäre das echt passiert. Wenn ich das Profil von einer Figur sehe, die von einem Star gespielt wird, dann weiß ich, dass da nicht Tom Cruise oder wer auch immer bloggt und das zerstört einiges. Genau das ist bei „Gossip Girl“ der Fall gewesen: Die titelgebende Figur hat einen Twitter-Account bekommen und so wurden einfach Dinge aus ihrem “Leben” getwittert.
In der Filmvermarktung kenne ich jedoch ehrlich gesagt noch kein konkretes Beispiel für den Einsatz von Twitter. Dies liegt jedoch meiner Meinung nach daran, dass Twitter noch keine Ansprechpartner für konkrete Aktionen bietet.

Lässt sich die „Long-Tail-Theorie“ von Chris Anderson auch auf die Filmvermarktung übertragen? Ist es durch die Möglichkeiten des Web 2.0 auch in der Filmindustrie möglich, durch Nischenprodukte respektable Gewinne zu erzielen?

Nische ist ein großes Thema im Web2.0. Diese Theorie ist aus Marketingsicht besonders für die Distribution der Filme interessant. Man erreicht zwar mit Web 2.0 Medien wie IPTV, Blogs oder anderen Kanälen im Einzelnen nicht viele, aber es gibt dieses Sprichwort: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Wenn man es schafft, einen Film über viele Nischenkanälen zu distribuieren, hat man einen großen Vorteil. Ich sehe das Kino sowieso als Nischenkanal der Zukunft, denn Home Entertainment wird sich durchsetzen und dann ist es egal, ob ich den Film auf einem physischen Speicher wie Blu-Ray bzw. DVD oder über einen Internet-Stream sehe.
Es wird zwar immer die Fans geben, die ins Kino gehen, aber das Kino muss sich einen neuen USP schaffen: Kino als Erlebnis. Da ist die Entwicklung in Richtung interaktiver Spielfilm natürlich besonders interessant, weil im Kino wesentlich mehr Platz ist, um diesen auszuleben. Das ist auch das Stichwort für Film 3.0, also die Konvergenz zwischen interaktivem Spiel und linearem Kinoerlebnis.
Aber der Film als Marke hat definitiv Potential für den Long Tail im Bereich Distribution, denn auch hier spielt das große Thema Mobile mit rein. Film hat den Vorteil, dass er über sehr viele Kanäle distribuiert werden kann. Kino, DVD, Fernsehen, Mobile vielleicht sogar in Zukunft über Kontaktlinsen und natürlich nicht zu vergessen, das Internet.

Welche Möglichkeiten neben Weblogs bietet das Web 2.0 für PR- bzw. Publicity-Maßnahmen?

Da sehe ich wieder Wikis als gutes Tool. Wikis können als Datenpool für Pressemitteilungen oder interaktive 2-Wege-Kommunikation mit Medienvertretern genutzt werden, klarerweise natürlich auch die Micro-Blogging Dienste. Außerdem sehe ich auch virtuelle Welten als gute Möglichkeit, in Kontakt mit Journalisten zu kommen. Das muss dabei nicht unbedingt Second Life, sondern kann zum Beispiel auch eine Corporate-Virtual-World sein. Auch ein virtueller Live-Support in Form von Weblins auf der eigenen Website zum Film wäre sicher eine gute Möglichkeit.
Auch in der Filmpromotion gibt es bereits Aktionen mit Weblins und zwar von Fox. Hier wurden für „Horton hört ein Hu“ Avatare zur Verfügung gestellt, die wie Figuren aus dem Film aussehen, mit denen sich die Besucher der Webseite dann mit einem jeweils eigenen Weblin-Avatar unterhalten konnten.

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