Vor kurzem habe ich Alexander Scholz, einem Diplomanden der seine Abschlussarbeit zum Thema modernes Filmmarketing schreibt, ein Interview zum Thema Filmpromotion 2.0 gegeben. Dieses Interview wird es schon bald hier zu lesen geben, da ich von Alex die Erlaubnis bekommen habe, das fertige Gesprächsprotokoll hier zu veröffentlichen.
Eine seiner Fragen war, worin genau der Vorteil des Einsatzes von Wiki-Systemen in der Filmvermarktung liegt.
Da es sich hierbei um keine wirklich leicht zu beantwortende Frage handelt, versuche ich mir hier nun mal ein paar „laute“ Gedanken zu diesem Thema zu machen und dabei auch Beispiele für mehr oder weniger erfolgreiche Wiki-Einsätze zu geben.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich es besonders bei Wikis als eher schwierig sehe, einen echten Vorteil zu erarbeiten. Es sollte bei jeder Aktion im modernen Filmmarketing (2.0) im Grunde genommen darum gehen, eine Marke zu öffnen, was durch Wikis in der Theorie sehr gut möglich wäre. Theoretisch deswegen, weil ein Wiki ja nichts anderes ist als ein offenes Content Management System ist. Damit man Content managen kann, muss aber erst mal welcher da sein. Und da haben wir das Problem, denn im Web 2.0 ist es leider immer noch so, dass die 90:10 Regel greift. 90 Prozent der Leute sind immer noch klassische User die passiv konsumieren und 10 Prozent sind diese Prosumer, die tatsächlich Dinge posten und aktiv Inhalte generieren. Wikis eignen sich daher mehr als Projektmanagement Tool z.B. für Film 2.0, wenn es zum Beispiel um Entscheidungen zu Produktionsstätten etc. geht. Bei Filmtrip hat man für diesen Zweck nicht auf ein Wiki gesetzt sondern den Weblog genutzt, was auch gut funktioniert hat.
Ein Beispiel, bei denen Wikis besonders schlecht zum Einsatz kamen, sind das Wiki zum zweiten Teil der Fantastic Four-Verfilmung Rise of the Silver Surfer. In diesem Fall konfrontierte der Verleih (20th Century Fox) in den USA das Publikum mit der Frage „Who is the Silver Surfer?“ und forderte dazu auf, die Antworten über das Wiki zu geben. Die Aktion floppte (zurecht). Das Wiki war zwar aufwendig gestaltet aber leider einfach schlecht beworben. Einfach eine einzige Frage zu stellen reicht nicht aus bei einem Wiki. Damit kann man ein ohnehin passiv agierendes Publikum nicht dazu bringen, Inhalte zu generieren.
Auch beim Wiki zur Komödie Walk Hard: The Dewey Cox Story handelte es sich in letzter Instanz um einen Schuss ins Knie. In diesem Fall wurde versucht, den Wikipedia-Film des Films auf ein eigenes Wiki umzulegen. Dieser Aktion kann nur mit einem großen Fragezeichen entgegnet werden. Meine Vermutung lautet, dass man sich selbst einen besseren PageRank verpassen wollte, was mit einem Wiki dank des hohen Verlinkungsgrades schnell möglich ist.
Das selbe Problem taucht auch beim Wiki zur neuen Comicverfilmung Hellboy II: The Golden Army auf. Universal spiegelt darauf im Grunde genommen die Inhalte (Castinfo, Infos zum Plot und zum Regisseur etc.), die auch auf der offiziellen Website zu finden wären oder für jeden bei der IMDB abzurufen sind. Das ist auch einer der Gründe, warum das Wiki von den Usern laut Chris‘ MMM-Kolumne zur Marketingkampagne, wenig bis gar nicht genutzt wurde. Wer ein Wiki aktiv von Usern betreut wissen will, muss attraktive Anreize geben bzw. nach Informationen bieten, die man nicht schon vorher hat, bzw. die man im Sinne des Crowdsourcings von den Fans zentral sammeln und zusammenfassen will. Mich wundert es ja, warum man bisher noch keine Aktion findet, in der auf den Social Bookmarking Dienst del.icio.us zurückgegriffen wurde. Besonders für wissenschaftliche Filme bietet sich eine Mischung aus Wiki- und del.icio.us-Nutzung doch perfekt an!
Aber es gibt auch ein gutes Beispiel für den Einsatz eines Wikis im modernen Filmmarketing. Das Cloverfield Despoiler Wiki ist das mit Abstand beste Wiki im Filmbereich, das ich bisher gesehen habe. Gestartet als Fanprojekt, hat Paramount meines Wissens nach mit voranschreitender Zeit auch immer wieder offizielle Inhalte dort gepostet und so eine Symbiose mit dem Publikum geschaffen, die letztendlich zu einem Portal geführt hat, das eine der zentralen Ansprechquellen für Informationen zur Onlinekampagne zum Film wurde.
Der Vorteil von Wiki-Systemen liegt im Sum-Up-Effekt für umfangreiche Kampagnen. Man kann zusammenfassen was passiert ist und daraus dann gemeinsam mit den aktiven Usern wieder neue Ideen generieren. Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein Alternate Reality Game (ARG) handeln, sondern es kann auch in eine normale Kampagne mit mobilen Inhalten eingebunden werden. Wenn man zum Beispiel wissen möchte, für welche Handymodelle man Inhalte zur Verfügung stellen soll, quasi als Mini- oder Interimsmarktforschung während einer Kampagne. Das setzt natürlich voraus, dass man flexibel in der Kampagnenplanung ist und kurzfristig reagieren kann, was wiederum eine Frage des Geldes und vor allem der Einstellung eines Filmverleihers ist.
Eine letzte Anwendungsmöglichkeit von Wikis sehe ich in der PR 2.0. Wikis können so zum Beispiel als guter Datenpool für Pressemitteilungen oder für die interaktive 2-Wege-Kommunikation mit Medienvertretern genutzt werden.
Natürlich reicht die Latte an Anwendungsgebieten noch sehr viel weiter, und ich bin auch sehr offen für weitere Vorschläge. Dennoch möchte ich mit damit nun vorerst die Betrachtung zum Thema Wikis im Filmmarketing 2.0 abschließen.

Mein Name ist Norbert Hillinger. Ich bin mittlerweile 33 Jahre alt und komme aus Altmünster in Oberösterreich. Im Juli 2007 habe ich mein "Journalismus und Unternehmens-kommunikation"-Studium an der FH JOANNEUM in Graz abgeschlossen. Von September 2007 bis Januar 2013 arbeitete ich in Berlin bei der Agentur TrendONE als Trendforscher und Berater und leitete unter anderem die Communication Unit der Firma.
Seit Februar 2013 bin ich als freiberuflicher Innovationsberater vor allem für Kunden aus der Filmbranche tätig. Zu meinen Speziagebieten zählen zum Beispiel Multitouch Software, Augmented Reality, Mobile Payment und Digital Signage.



