Filmpromo.de – Trends und Best Practice Communication Cases aus der Entertainment-Industrie

Trends und Best Practice Communication Cases aus der Entertainment-Industrie

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Heute war es endlich soweit. Die zweiten Berlinale Keynotes gingen über die Bühne.
Mit Spannung habe ich auf das Event gewartet, bei dem jene zwei Themen diskutiert und erläutert wurden, mit denen ich mich seit nunmehr drei Jahren intensiv beschäftige: Film(promotion) im Web 2.0 und die Konvergenz der von Film- und Gaming-Branche.
In einem meiner letzten Postings habe ich über die Veranstaltung vorab berichtet und auch die Speaker genannt.

Hier nun eine Zusammenfassung der fünf Keynotes von Jade Raymond (Mastermind hinter dem Game Assasin’s Creed), Jordan Mechner (Drehbuchautor für Jerry Bruckheimer), Don Tapscott (Wikinomics-Vordenker), Matt Hanson (A Swarm of Angels) und Ton Roosendaal (Entwickler einer Open Source 3D-Grafik-Software) bzw. des Nachmittags, der sich in die beiden Blöcke Film und Web 2.0 sowie Film- Gaming-Konvergenz aufteilte.

Los ging es mit einem Vortrag des Wikinomics-Prädiger Don Tapscott.
Für ihn existiert klassisches Cinema 1.0 seit den 1920er Jahren, als damit begonnen wurde, in Filmen eine Geschichte zu erzählen.

Im Sinne des Web 2.0 Gedanken liegt der Clou des erst seit kurzem existierenden Cinema 2.0 in der Tatsache, dass man an Filmen in dieser Evolutionsstufe des Kinos teilnehmen kann. Der Viewer wird zum User, wobei sich auch die gesamte Industrie bzw. ihre Wertschöpfungskette von Produktion bis Marketing durch Web 2.0 ändert bzw. bereits geändert hat. Nun, darüber habe ich wohl schon zu Hauf in diesem Blog berichtet.

Tapscott sieht vier “Major Drivers” als hauptverantwortlich für die fundamentalen Änderungen, die der Entertainment-Branche allgemein bevorstehen und mit denen sich die Verantwortlichen derzeit oder spätestens in naher Zukunft auseinandersetzen müssen.

1. Driver: Web 2.0
… auf das man über “The Thing”, als ein Device mit Screen, ortsunabhängig zugreifen kann.
In diesem Zusammenhang spricht Tapscott den sogenannten “Rise of true Multimedia” an, bei dem die “Digital Humans” im Mittelpunkt stehen. Dazu kommt es auch zu einem “Rise of Integration”, also der Einbeziehung des Users in das Geschehen.

2. Driver: Demographic Revolution
Die neue Generation, Tapscott nennt sie die “Digital Natives” bzw. “The Net Generation” surft im Internet, bewegt sich in Communities und produziert Inhalte (User Generated Content) in der Zeit in der die frühere Teenager-Generation lediglich TV-Inhalte passiv konsumiert hat.
“TV ist toasted” drückt der Wikinomics Vordenker dieses Sterben eines klassischen Leitmediums aus.
Mit der wachsenden Zahl an “Digital Natives” kommt es zu einem “Digital tsunami of people who don’t want to be broadcasted to any longer”, meint Tapscott.

3. Driver: Social Revolution
Sie sorgt für einen “Rise of Collaborative Communities”. Hier nennt Tapscott das Phänoment der Wicinomics Community in Facebook, die sein Sohn für ihn angelegt hat, nachdem er sein Buch gelesen hat. Diese Community zählte bereits nach wenigen Stunden weltweit mehrere hundert Mitglieder und ist heute eine der größten Communities in dem Social Network.

4. Driver: Economic Revolution
Mit dem Aufkommen von Web 2.0 muss auch das Modell intellektuellen Eigentums überdacht werden.
Unternehmen könnten als einen Weg zum Beispiel ein Portfolio anbieten, dass ich aus freiem Open Source Dienstleistungen oder Gütern und kostenpflichtigen lizenzierten Inhalten zusammensetzt.
Hier hat besonders die Musikindustrie versagt, die auf den Web 2.0 Hype falsch reagiert hat.
Tapscott konstatiert: “‘Everywhere Internet Audio’ demands ‘Everywhere Internet Films'”.

Alle vier Driver zusammen ergeben einen Perfect Storm, den es zu bewältigen gilt.

Im zweiten Teil seiner Präsentation beschreibt Tapscott das Phänomen Film 2.0. Es handelt sich dabei um:
A new Model: What is a Film
A new Model of Creation
A new Model of Distribution
A new Model of Monetarization
A new Model of Marketing

Film 2.0 sind zum Beispiel die sogenannten “Three Minutes Clips” auf Youtube, also User Generated Content. Bei Film 2.0 geht es um User Driven Plots die interaktiv sind und somit dem Gaming-Model folgen.

Das Kinoerlebnis wird interaktiv wie eine neue Installation von Disney zum Animationsfilm Finding Nemo zeigt, die im Disneyland ausgestellt ist. Hier spricht eine Figur aus dem Film während einer Kinoshow gezielt das Publikum an und interagiert mit ihm.
Es handelt sich hierbei also um ein kollaboratives Partizipieren.
Machinima sind laut Tapscott ebenfalls Ausprägungen von Film 2.0, wobei ich ihm in diesem Punkt widerspreche, da es sich hierbei aus meiner Sicht bereits um Film 3.0 handelt. Aber dazu in naher Zukunft mehr.
Bei Film 2.0 geht es also um den “Rise of the Prosumer”, der dank der Technik in der Lage ist, Filme neu zu mixen wie es The Tracey Fragments beweist.

Als neue Monetarisierungs-Modelle nennt Tapscott den Verkauf von Land in Second Life oder Real World Product Placement, wie es bei The Simpsons Movie zum Einsatz kam, als man Supermärkte in Quick-E-Marts umwandelte.

All diese Hinweise lassen den Visionär darauf schließen: “The time has come for cinema 2.0”
Wollen wir hoffen, dass er recht hat.

Im zweiten Vortrag von Matt Hanson ging es um das Thema “Audience as Auteur”.
In dem Projekt A Swarm of Angels entsteht erstmals ein kompletter Spielfilm mithilfe des Publikums. Die Beteiligung beginnt bei der Finanzierung und endet bei der Produktion bzw. dem Marketing.
Die Kanäle bzw. Mittel, die dabei zum Einsatz kommen sind Foren, Wikis, Votings, klassische Medien und Remixing-Software.
Durch erste Teaser zum Projekt wurde herausgefunden, auf welche Art von Film das Publikum steht und in welche Richtung sich das Projekt entwickeln sollte. Das Ergebnis: Ein “Contemporary Soft Science Fiction-Film” sollte es werden.
Derzeitiger Titel: The Unfold.
In einem Wiki wurde das Drehbuch gemeinsam mit dem Publikum entwickelt und parallel wurden bereits erste Materialvorschläge veröffentlicht.
Diese Form der Co-Creation ist Konversation in reinster Form.
Mittlerweile haben sich bereits 50.000 User angemeldet, von denen 500 aktiv teilnehmen und sich mit dem Projekt auseinandersetzen. Eine enorme Anzahl, wenn man bedenkt, das es sich dabei laut Hanson um sogenanntes “Guerilla Filmmaking” handelt.
Der Brite behält sich allerdings das Recht der Entscheidung und meint: “It’s not democratic, it’s collaborative”

Auf den Vortrag von Ton Roosendaal möchte ich hier nur ganz kurz eingehen, da ich mich mit der technischen Seite von Open Source nicht wirklich gut auskenne. Der Niederländer hat mit Blender die weltweit erste Open Source 3D-Software hergestellt, mit der er auch bereits den ersten Open Source Animationsfilm Elephant’s Dream produziert hat. Der Film ist von sechs Personen in sechs Monaten produziert worden. Mit dem neuen Film Peach, dessen Teaser Roosendaal in einer Weltpremiere erstmals vor Publikum präsentiert hat, ist bereits die nächste Produktion im Gange.

Auf die große Frage hinter dem Geschäftsmodell von Film im Web 2.0 konnte keiner der Vortragenden aus dem ersten Block eine richtige Antwort geben.
Doch angesichts des tollen Programms im zweiten Block, wo es um Film- Gaming-Konvergenz ging, vergaß man die Frage nach dem Geld relativ schnell wieder. Immerhin wachsen mit der Filmindustrie und der Gaming-Branche die beiden derzeit Umsatzstärksten Entertainmentsektoren zusammen.

Jade Raymond eröffnete den äußerst spannenden zweiten Teil der Keynotes. Die wohl hübscheste Gamerin der Welt ist Produzentin des erfolgreichsten Videogames der Welt Assassin’s Creed.

In ihrer Präsentation nannte Raymond einige Zahlen zum Spiel und zum Gaming-Markt allgemein. So generiert die Gaming-Industrie einen jährlichen Umsatz von 20 Mrd. Dollar.
Von Assassin’s Creed, an dem 300 Menschen drei Jahre lang gearbeitet haben, wurden bisher sechs Millionen Kopien verkauft, was einem Umsatz von rund 2,5 Mio Euro in nur vier Wochen entspricht.
TV und Film zusammen sind immer noch kleiner als der neue Gigant am Entertainment-Himmel, das Videospiel.
Der Erfolg von AC liegt laut Raymond hier: “The Gameplay has a message associated”.

Die beiden Industrien konvergieren bereits auf der Produktionsstufe. Green- bzw. Bluescreens, Artificial Intelligence Software, Motion Capturing und Rendering kommen bei beiden Unterhaltungsgütern zum Einsatz.

Wie bei Sandalenfilmen haben die Macher von AC auch mit diversen Experten aus anderen Gebieten zusammengearbeitet. Die Geschichte entstand in Zusammenarbeit mit einem Hollywood-Screenwriter, die detailgetreuen Hintergründe wurden in Absprache mit einem Historiker erarbeitet, der bereits bei diversen Filmproduktionen als Berater tätig war.
Selbst Castings wurden durchgeführt, um die über tausend Charaktere des Spiel möglichst individuell und damit lebendig aussehen und agieren zu lassen.
Die Produktion von AC kann also als “Cross Media Development” bezeichnet werden.

Zwei aktuelle Projekte nannte Raymond auch, die den unterschiedlichen Ansatz von Games und Filmen zeigen.
Das Spiel Wheelman wird von Paramount, MTV und Trigon Studios gemeinsam produziert. Der Clou: Zeitgleich zum Spiel entsteht auch ein Film

John Woos Stranglehold hingegen ist ein Sequel zu seinem Erfolgsfilm Hard Boiled.

Der Schlüssel für den Erfolg liegt also im Zusammenbringen verschiedener Experten aus den verschiedenen Industrien.

Raymond gibt zum Abschluss einen Ausblick mit einer Tipp: “Use interactivity and participation to create an entertainment experience with greater intimacy and emotional background.”

Den Abschluss dieses hochkarätigen Events machte Jordan Mechner, der als Screenwriter für die Filmadaption des Spielklassikers Prince of Persia zuständig ist.
Er sprach über die Schwierigkeiten dieses Vorhabens. Zum Beispiel muss eine interaktive Story in einen linearen Plot verwandelt werden.
Dann meint Mechner: “Movies are about story but in video games, story is secondary. The gameplay is most important.”

Dazu kommt, “video game genres don’t correspond to film genres”. Würde man Prince of Persia eins zu eins in einen Film umwandeln, wäre es ein Horrorfilm, was aufgrund der Tatsache, dass Disney und Jerry Bruckheimer die Hände im Spiel haben, nicht möglich ist, da von ihnen nur Familienfilme produziert werden.

Zum Abschluss gab es noch eine kurze Frage-Antwort Session mit allen Keynot-Speakern und die Möglichkeit des persönlichen Gesprächs. Dann waren die Keynotes nach vier Stunden spannendem Input auch leider schon wieder zu Ende. Eine tolle Veranstaltung, die mir sehr viel Wissen vermittelt hat und auf die ich mich auch schon freue, wenn sie 2009 wieder stattfinden wird.

Nachtrag: Anständige Fotos und ab Ende der Woche auch einen Videomitschnitt der Veranstaltung gibt es hier.

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